Wetter-Monitoring-Anwendung für den Weltmarktführer

Nutzerzentrierte Ausrichtung eines Weltmarktführers

Die konsequente Fokussierung auf die Nutzer*innen spielt nicht erst bei der Entwicklung eines digitalen Produkts eine Rolle. Schon bei der Suche nach dem passenden Angebot für die eigenen Kunden ist sie ein wichtiges Grundprinzip, auch und besonders bei komplexer Enterprise Software. Warum Unternehmen durch eine menschzentrierte Herangehensweise die besten Voraussetzungen für Ruhm und Ehre – und glückliche Nutzer*innen – haben, möchten wir mit diesem Artikel zeigen. Am Beispiel des Weltmarktführers im Bereich der Wetterdaten – Stormgeo – erfährst du, mit welcher Methodik du Nutzerzentrierung von Anfang an integrierst und so Produkte schaffst, die echte Probleme lösen.

Ganz kurz, wer ist Stormgeo?

Stormgeo ist ein Unternehmen aus Bergen, Norwegen, das Kunden in der ganzen Welt mit Wetterdaten versorgt, um Infrastruktur, Produktions- und Logistikprozesse zu schützen. Ein großes Team von Meteorologen berät die Kunden auf Basis der gewonnenen Daten hinsichtlich der Risiken und Abwendung dieser. Skandinavische TV-Sender oder amerikanische Ölfirmen verlassen sich dabei ebenso auf Stormgeos Expertise wie arabische Luxusresorts.

Auf der Suche nach dem Sweet Spot of Innovation

Bei den Mitarbeitern von Stormgeo gab es eine grobe Ahnung von einem Problem, daraus entstand die erste Produktvision: "Wir wollen eine Anwendung, die Wetterdaten übersichtlicher wiedergibt." Diese Vision war zunächst nur eine unbestätigte Hypothese. Was erhofften sich die Nutzer von der Initiative zur Verbesserung des Produkts? Jetzt hieß es: prüfen, lernen, verstehen. Doch wie geht es konkret los?

Die ersten beiden Aspekte waren bei Stormgeo abgedeckt, Spitzenentwickler*innen standen bereit und die Finanzierung war durch das erfolgreiche Geschäftskonzept gesichert. Für die Desirability brauchten wir nun die UX-Brille – und damit die Ausrichtung an den Nutzer*innen. Sie sind es, die uns bei der Problemfindung helfen und uns verraten können, wie eine Lösung konkret aussehen kann. Aber wie konnten wir die Nutzer in diesem konkreten Fall einbeziehen?

Ready, steady, Research

Nutzerbedürfnisse erfassen und verstehen

Unsere Regel Nummer 1: Auch wenn wir in vielen Projekten die Perspektive von Nutzern eingenommen haben, wir sind nicht der/die Nutzer*in. Wir starten oft mit einer ersten Phase des Desk Research, d.h. wir recherchieren vom Schreibtisch aus Daten, Fakten, Insights und Studien zu Nutzer*innen, Kundensegmenten, Marktsituation und Branche. Danach schließt sich aber in den allermeisten Fällen eine intensive Phase an, in der wir versuchen, direkt mit den jeweiligen Nutzer*innen in Kontakt zu kommen.

Wieviel Research darf's denn sein?

Da Research mit Aufwand und Kosten verbunden ist, stellt sich stets die Frage: Wie viel Research brauchen wir im jeweiligen Fall? Wahr bleibt: null Menschen, null Erkenntnisse (Eric Ries: “The Audacity of Zero”). Dennoch sollte die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleiben. Diesem pragmatischen Ansatz fühlen wir uns verpflichtet.

Verständnisebenen

Grundlegend solltest du dir immer über drei Verständnisebenen im Klaren sein:

  • Warum benutzt der/die Nutzer*in das System überhaupt? Welche Bedürfnisse stecken dahinter?
  • Was will er oder sie mit der Software erreichen, welche Ziele und Aufgaben stehen im Vordergrund?
  • Wie verhält sich der/die Nutzer*in auf operativer Ebene, wie wird die Software bedient?

Hypothesen sammeln

Um möglichst gezielt vorzugehen, halten wir uns an vier Kernthemen, die wir verstehen möchten.

  1. Benutzer und Benutzergruppen
  2. Motive, Ziele und Aufgaben
  3. Arbeitsmittel
  4. Soziale, physische und technische Umsetzung

Wir wissen nun, was wir fragen wollen, doch wie machen wir das am besten? Mittlerweile gibt es eine große Auswahl von Research-Methoden, jede mit eigenen Stärken in unterschiedlichen Kontexten. Bevor du dich für eine Methode entscheidest, solltest du dir vor allem zwei Fragen stellen: Benötigst du qualitative oder quantitative Ergebnisse und möchtest du eher etwas über das Verhalten herausfinden (die Verständnisebene “Wie”) oder über Einstellungen und Ziele (Verständnisebenen “Warum und Was”)?

Für uns war schnell klar, dass Interviews die passende Methode für den primären Research sind. Da wir es im vorliegenden Fall aber mit einer sehr spezifischen Unternehmen-Kunden-Beziehung zu tun hatten, mussten wir zunächst von den internen Kollegen in Erfahrung bringen, mit welchen Gegebenheiten wir es überhaupt zu tun hatten. Also veranstalteten wir einen mehrtägigen Workshop im Stormgeo-Hauptquartier in Bergen, Norwegen.

Der Workshop

Zwei intensive Tage lang arbeitete ein Kernteam aus internen Mitarbeitern zusammen mit uns Designern an der Schaffung eines klareren Blicks auf das Projekt. Zunächst einmal erstellten wir (hypothetische) Personas und versuchten diese klar voneinander abzugrenzen. Dann analysierten wir in einem Value Proposition-Ansatz die sogenannten Pains und Gains: welche Probleme galt es zu lösen? Was hatten die Nutzer*innen zu gewinnen? Wie ließen sich die Erkenntnisse ihrer Wichtigkeit nach priorisieren?

Das wichtigste Resultat der arbeitsreichen Zeit war, dass alle Beteiligten erkennen mussten: eine Optimierung des Produkts musste mehr sein als die visuelle Verbesserung der Anzeige von Wetterdaten. Die Usability im Allgemeinen und die Sortierung und Priorisierung der Anzeige mussten in den Fokus genommen werden. Erste Ideen hierfür wurden dokumentiert und an einem sicheren Ort gespeichert.

User Interviews

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir zwar Wissen in Bezug auf das zugrundeliegende Geschäftsfeld aufgebaut und konnten erste Hypothesen formulieren, doch inwieweit waren diese valide? Mithilfe ausgedehnter Nutzer-Interviews gingen wir nun daran unsere Annahmen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Da es um sehr unterschiedliche und auch sehr spezielle Nutzergruppen ging, musste Stormgeo für uns geeignete Repräsentanten dieser Nutzer ausfindig machen. Zu befragen waren hier sowohl Risiko-Manager der us-amerikanischen Erdölindustrie als auch skandinavische TV-Wetter-Moderatoren oder Besitzer arabischer Luxusresorts. Die Interviews führten wir jeweils auf Basis eines vorab erstellten Leitfadens, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Mit Hilfe der gewonnenen Daten konnten wir nun ein viel genaueres Bild der Nutzer und Ihrer Bedürfnisse und Absichten generieren.

Persona-Erstellung

Nutzer-Interview, hier mit einer Wetter-Moderatorin des norwegischen Senders TV2

Wenn das Problem erkannt ist, kann es gelöst werden

Es ist vollbracht, unsere Hypothesen sind überprüft, zum Thema Desirability als Kernaspekt des Sweet Spot of Innovation haben wir jede Menge gelernt. Diese Erkenntnisse über das Problem müssen nun in den Lösungsraum überführt werden, wir beschäftigen uns mit der Feasibility: Wie können wir etwas Gutes bauen? Aber: Es ist nicht immer einfach, eine gemeinsame Lösung zu entwickeln.

Szenarien und Nutzer-Flows

In einer Vielzahl von Projekten hat es sich bewährt, zunächst ein gemeinsames Verständnis über die Abstimmung von Szenarien und Nutzer-Flows zu schaffen. Zum einen können hier die zum Teil unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Stakeholder visualisiert werden. Zum anderen fallen oft schon jetzt technische Hindernisse oder Herausforderungen auf. Am wichtigsten aber ist meistens, dass Empathie für die eigenen Nutzer aufgebaut wird. Frühzeitig über Szenarien und Nutzer-Flows sprechen zu können, ist also auch entscheidend für die Effizienz innerhalb des Teams. Edge Cases und mögliche Fehler sollten ebenso betrachtet werden wie die sogenannten "Happy Flows".

User Journey Chart und Persona-Erstellung

Das Konzept

Auf Basis der abgestimmten Szenarien und Flows können wir nun den Detailgrad steigern und Wireframes bis auf die Ebene kleinerer Elemente erarbeiten. Als Teil von sogenannten Wireflows finden wir so auch Lösungen für bestimmte Zustände von Elementen. Die andauernde, begleitende Kommunikation mit allen Beteiligten ist dabei entscheidend für die Effizienz des Prozesses. Aber merke: es darf keinen sinnlosen Meeting-Marathon geben. Zu jedem Zeitpunkt sollte klar sein, dass es einen sehr pragmatischen Grund geben muss, etwas zu tun.

Wireframe der Kontrollraum-Ansicht

Wireflow eines Teils der Anwendung

Das User Interface Design

Wenn das Konzept in der beschriebenen Art und Weise abgestimmt ist, kann das UI Design erstellt werden. Oft startet diese Arbeit aber schon viel früher. In vielen Fällen fehlen beispielsweise grundlegende Definitionen für das digitalen Design innerhalb des Brand-Designs eines Unternehmens. Dies muss dann entsprechend vorab erarbeitet werden. Erfahrungsgemäß führt dies oft zu längeren Diskussionen und Entscheidungsprozessen auf Kundenseite. Daher sollte hiermit frühzeitig begonnen werden.

Im Fall von Stormgeo arbeiteten wir zunächst an einem ganzen Kanon von Brand-Design-Grundlagen allein für den Online-Bereich, die dann Anwendung im UI Design fanden.

UI Design der Anwendung

UI Design des Login-Screens

Team Setup

1 Senior UX/UI Designer

1 UX Researcher

1 Senior UI Designer

Weitere Cases